Bundesministerium des Innern
Herrn Minister Otto Schily
Alt-Moabit, Berlin
PRESSEMITTEILUNG vom 23. August 2001
Berlin, den 23.8.2001
Sehr geehrter Herr Bundesinnenminister,
mit zunehmender Besorgnis verfolgt unser Verein, der sich der Aufarbeitung der
DDR-Vergangenheit stellt, die Auseinandersetzung zwischen Ihnen und der Bundesbeauftragten
für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR,
Frau Marianne Birthler.
Der Ruf nach Werten, nach mehr Bildung, Engagement gegen Politikverdrossenheit
und für ehrenamtlichen Einsatz wirkt absurd und unehrlich, wenn die Bürger erfahren
müssen, daß ihre Ideale in einer Zweiklassengesellschaft versickern.
Dem Innenminister, als erstem Hüter der Demokratie, müssen Würde aller Bürger
und Gleichheit vor dem Gesetz oberstes Anliegen sein.Dies wird jedoch in einer
funktionierenden Demokratie immer dann hinterfragt werden, wenn Vorteilsnahme
durch Ausübung politischer Macht den Souverän, das Volk, ins Abseits zu stellen
droht.
Rechtsmittel müssen der Erhaltung des Rechtsfriedens dienen und haben keinesfalls Individualinteressen nach beliebigem Ermessen zu bewahren. Das gilt auch und insbesondere für das Stasi-Unterlagengesetz, dessen Zielsetzung, die Erhellung der SED-Diktatur, unangefochten bleiben muß.
Sie, Herr Bundesinnenminister, haben die Pflicht und die Chance auch und gerade in diesem Falle einen alle Bürger überzeugenden Beitrag zur Durchsetzung des Prinzips der Rechtsstaatlichkeit zu leisten. Wir bitten Sie deshalb, Ihre Position in diesem Konflikt zu überdenken und der Aufarbeitung der zweiten deutschen Diktatur keine gesetzlichen Hindernisse - und seien diese noch so ausgeklügelt - in den Weg zu stellen.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Reinhard Dobrinski, Vorstandsvorsitzender
gez. Hildegard Wetzel, Vorstandsmitglied