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Presseerklärung Presseerklärung zu 20 Jahre Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG)

Berlin, den 4. November 2012

Der Untergang der DDR setzte die Frage der juristischen Aufarbeitung von Staatskriminalität und die Rehabilitierung von Opfern politisch motivierte Strafverfolgung oder behördlicher Repressionsmaßnahmen zwingend auf die Tagesordnung.
Selbst die SED (PDS) ließ am 15. Januar 1990 im Bericht des Modrow-Ministerrates an den Zentralen Runden Tisch vortragen, dass an der Erarbeitung eines Rehabilitierungsgesetzes gearbeitet werde.

Eine Besänftigungsmaßnahme. Natürlich wussten Modrow und Justizminister Heusinger (LDPD) , dass jede strafrechtliche Rehabilitierung die Frage induzierte, ob beteiligte Staatsanwälte und/oder Richter sich der Rechtsbeugung schuldig gemacht hatten und strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen wären. Es blieb bei der Absichtserklärung.

Der Einigungsvertrag vom 31. August 1990 stellte mit Artikel 17 in Aussicht, dass der gesamtdeutsche Gesetzgeber unverzüglich eine gesetzliche Regelung schaffen werde, wonach alle von einer politisch motivierten Strafverfolgungsmaßnahme oder einer rechtsstaats- und verfassungswidrigen gerichtlichen/außergerichtlichen Entscheidung Betroffenen rehabilitiert werden.

Noch am 6.9.1990, die deutsche Einheit bereits in Sicht, legte die de Maizière-Administration der Volkskammer ein Rehabilitierungsgesetz (GBl. I Nr. 60 S. 1459) vor. Danach waren Rehabilitierungen von Verfolgungsopfern über Kassationsverfahren nach der Strafprozessordnung (DDR), ein Stolperstein, vorgesehen. Mit der Vereinbarung vom 18.9.90 zum Einigungsvertrag wurden wesentliche Teile dieses Gesetzes wieder aufgehoben.

Zwei Jahre gingen ins Land bis das Verfahrensrecht der strafrechtlichen Rehabilitierung mit dem „Ersten SED-Unrechtsbereinigungsgesetz (StrRehaG)“ durch den Deutschen Bundestag verabschiedet wurde. Mit seiner Verkündung am 4. November 1992 trat es in Kraft (BGBl. I S. 1814) und bildet mit zahlreichen Änderungsgesetzen seit nunmehr zwanzig Jahren die Grundlage für die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgung in der ehemaligen DDR.

In der Rückschau ist unter Verdrängung allen ausgetragenen Streits einzuschätzen, dass das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz Tausenden DDR-Verfolgungsopfern die ihnen mit der Streitaxt des DDR-Strafrechts zugefügte Schmach und Erniedrigung zu nehmen vermochte. Aber die Anerkennung von Gesundheitsschäden als Folge erlittener Haft scheiterte in ungezählten Fällen an behördlichen Hürden.

Unerträglich jedoch versagte Rehabilitierungen bei Strafurteilen, die unter Bruch von Grund-/ Menschenrechten wie das Abschneiden des Rechts auf Verteidigung durch die DDR-Justiz zustande kamen, darunter ein seit 1990 nicht rehabilitierter Fall einer 1976 vom MfS inszenierten Einweisung in die Bezirksklinik für Psychiatrie Eberswalde.

Ein Extremfall erlangt Anspruch auf Öffentlichkeit: Die Strafverfolgung und vollständige Enteignung der Bäuerin Olga Dahn, 21.12.1961 † (Frauenhagen, Uckermark), Anfang der 50er Jahre wegen Nichterfüllung der Pflichtablieferung und das die Wut des Richters auslösende strafverschärfende Bekenntnis, dass „...die Nazis ihr nichts anhaben konnten und die Kommunisten erst recht nicht“, sowie deren Nichtrehabilitierung.

Nach mehr als 50 Jahren fanden Brandenburger Richter als Versagungsgründe für das vom FORUM angestrebte Verfahren heraus: „...Angesichts der Entstehungsgeschichte sowie auch einer systematischen und teleologischen Auslegung der Norm (R. D.: Bezug § 7/3 StrRehaG) könne nicht jedes Interesse an der Rehabilitierung eines Verstorbenen genügen, sondern nur ein solches, das aus einer echten Verknüpfung mit dem Lebensschicksal des Betroffenen herrühre.“

Diese, den Geist der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze ausräumende Entscheidung wurde am 16.10.2008 selbst vom Brandenburgischen Landesverfassungsgericht mitgetragen, Az.: VfG Bbg 7/08.
Eine Entscheidung in der Sache wurde angesichts der Folgen wohlweislich umgangen. Für die Vertretung Verstorbener durch Vereine in strafrechtlichen Rehabilitierungsverfahren wurden damit im Land Brandenburg unüberwindbare Hindernisse aufgetürmt. Die Antwort, wie Vereine, die erst nach dem Untergang der DDR mit dem Ziel, politisch Verfolgte zu vertreten, gegründet werden konnten (zuvor hätte dies als „Verfassungsfeindlicher Zusammenschluß“ gegolten, angedrohte Freiheitsstrafe: bis 12 Jahre Haft) und häufig erst Jahrzehnte nach dem Tod von Verfolgungsopfern von deren Schicksal erfuhren, diese „Landesnormen“ erfüllen können, bleibt dem „Brandenburger Weg“ überlassen.

gez. Reinhard Dobrinski, Vorstandsvorsitzender